Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. September 2025 legt die Details der Aktivrente fest. Kern der Reform ist ein Steuerfreibetrag von 2.000 Euro pro Monat für sozialversicherungspflichtige Einnahmen aus nichtselbstständiger Beschäftigung. Die Regelung soll Beschäftigte motivieren, auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze im Berufsleben zu bleiben. Allerdings schließt der Entwurf Selbstständige und Freiberufler explizit aus. Diese Entscheidung entfacht eine breite Diskussion über Gerechtigkeit, Arbeitsmarktpolitik und steuerliche Systematik. Geplant ist, die Aktivrente in § 3 (neu) § 21 EStG aufzunehmen.
Der Gesetzgeber verfolgt mit der Aktivrente ein klares Ziel. Er möchte Engpässe in Branchen mit hohem Personalbedarf abmildern. Arbeitgeber gewinnen, wenn erfahrene Kräfte länger bleiben, und Arbeitnehmer profitieren, weil sich ein Hinzuverdienst stärker lohnt. Deshalb knüpft die Reform den Freibetrag direkt an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Auf diese Weise sichern die Einnahmen nicht nur zusätzliches Einkommen für Ältere, sondern auch Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung. Für Selbstständige passt diese Logik nicht ohne Weiteres, da sie ihre Vorsorge meist privat organisieren.
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Inhalt
- 1 Selbstständige profitieren zunächst nicht von der Aktivrente
- 2 Tabelle Pro und Kontra
- 3 Könnten Selbstständige später von der Aktivrente profitieren?
- 4 FAQ
- 4.1 Gilt die Aktivrente auch für Selbstständige?
- 4.2 Wer profitiert konkret vom Freibetrag?
- 4.3 Wie behandelt der Entwurf gemischte Einkünfte (Lohn + selbstständig)?
- 4.4 Können bestimmte selbstständige Gruppen trotzdem profitieren?
- 4.5 Was spricht für eine spätere Öffnung zugunsten der Selbstständigen?
- 4.6 Welche Gegenargumente nennt die Systemlogik?
- 4.7 Welche Alternativen bleiben Selbstständigen vorerst?
Selbstständige profitieren zunächst nicht von der Aktivrente
Kritiker sehen in dieser Ausgestaltung dennoch eine deutliche Schieflage. Wer nach der Regelaltersgrenze weiterarbeitet, leistet unabhängig vom Status einen Beitrag zur Wirtschaftsleistung. Dass für Arbeitnehmer 2.000 Euro steuerfrei bleiben, während Selbstständige ihre Honorare regulär versteuern müssen, wirkt wie eine Benachteiligung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes rückt damit in den Mittelpunkt. Viele Selbstständige fühlen sich ausgeschlossen, obwohl sie ebenfalls im hohen Alter Versorgungslücken schließen oder Fachwissen weitergeben.
Die wirtschaftliche Realität unterstreicht diese Kritik. In vielen Regionen sichern selbstständige Ärztinnen, Handwerker oder Berater die Grundversorgung. Wenn steuerliche Vorteile fehlen, könnte ihre Bereitschaft sinken, über die Altersgrenze hinaus aktiv zu bleiben. Während Betriebe für fehlende Arbeitnehmer Ersatzkräfte suchen können, lassen sich selbstständige Tätigkeiten oft nicht einfach ersetzen. Ein Mangel an Hausärzten oder spezialisierten Handwerksbetrieben würde sich direkt auf die Bevölkerung auswirken.
Befürworter der aktuellen Fassung betonen jedoch, dass Selbstständige bereits Gestaltungsspielräume nutzen können, die Angestellten nicht zur Verfügung stehen. Betriebsausgaben lassen sich steuerlich geltend machen, Gewinne können über Rückstellungen geglättet werden. Zudem sind viele Selbstständige nicht in die gesetzliche Rentenversicherung eingebunden. Sie tragen damit keine Beiträge in das System ein, das die Aktivrente flankieren soll. Ein zusätzlicher Freibetrag würde daher nicht nur fiskalische Risiken bergen, sondern auch den Eindruck einer doppelten Begünstigung erzeugen.
Die Finanzperspektive spielt ebenfalls eine Rolle. Würde der Freibetrag auf Selbstständige ausgeweitet, entgingen dem Staat erhebliche Einnahmen. Der arbeitsmarktpolitische Effekt bliebe zugleich unsicher, da Selbstständige nicht in denselben Strukturen wie Arbeitnehmer eingebunden sind. Der Gesetzgeber bewertet die Priorität daher unterschiedlich: Die Aktivrente soll vor allem die abhängig Beschäftigten entlasten und damit Unternehmen direkt unterstützen.
Ein möglicher Kompromiss könnte in einer gestuften Öffnung liegen. So ließe sich der Freibetrag etwa auf bestimmte selbstständige Berufsgruppen ausweiten, die für die Daseinsvorsorge relevant sind. Alternativ könnte man die Steuerfreiheit an Bedingungen knüpfen, etwa an eine fortgesetzte Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder an eine bestimmte Einkommenshöhe. Solche Modelle würden einerseits den Gleichbehandlungsgrundsatz stärken, andererseits den fiskalischen Spielraum wahren.
Die Debatte um die Aktivrente zeigt damit ein Spannungsfeld zwischen arbeitsmarktpolitischer Pragmatik und steuerrechtlicher Gleichheit. Arbeitnehmer profitieren unmittelbar, während Selbstständige zunächst außen vor bleiben. Ob der Gesetzgeber diese Kritik aufgreift und den Rahmen in späteren Reformschritten erweitert, wird entscheidend für die Akzeptanz der Aktivrente sein. Nur wenn die Regelung ausgewogen erscheint, kann sie dauerhaft das Vertrauen älterer Erwerbstätiger gewinnen.
Tabelle Pro und Kontra
In der Tabelle sind Pro und Kontra zum Thema angegeben.
Tabelle 1: Was spricht für und was gegen die Einbeziehung von Selbstständigen in die Aktivrente
Pro | Contra |
Gleichbehandlung nach Artikel 3 GG: Selbstständige leisten ebenso wie Arbeitnehmer einen Beitrag zur Wirtschaftsleistung. | Systemlogik: Freibetrag soll an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und Beitragszahlungen zur Sozialversicherung geknüpft sein. |
Selbstständige sichern wichtige Versorgung, z. B. als Ärzte, Handwerker oder Berater, und sind oft schwer ersetzbar. | Selbstständige verfügen bereits über steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, etwa Abzug von Betriebsausgaben. |
Steuerliche Entlastung könnte die Bereitschaft erhöhen, auch nach der Regelaltersgrenze weiterzuarbeiten. | Viele Selbstständige zahlen keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung, profitieren also nicht vom damit verbundenen Solidarprinzip. |
Erweiterung stärkt Akzeptanz und Legitimation der Reform, da sie breitere Gruppen einbezieht. | Hohe fiskalische Kosten: Staatliche Steuereinnahmen würden deutlich sinken, ohne sicheren arbeitsmarktpolitischen Effekt. |
Könnten Selbstständige später von der Aktivrente profitieren?
Ob eine spätere Einbeziehung von Selbstständigen in die Aktivrente erfolgt, hängt von rechtlichen, fiskalischen und politischen Erwägungen ab. Grundsätzlich könnte der Gesetzgeber den Freibetrag auch auf Gewinneinkünfte ausweiten, wenn eine tragfähige Begründung vorliegt. Argumente dafür liefern sowohl der Gleichheitsgrundsatz als auch die Tatsache, dass Selbstständige mit ihrer Tätigkeit im Alter die Wirtschaftsleistung sichern. Besonders in Bereichen wie medizinischer Versorgung oder Handwerk ist ihre fortgesetzte Tätigkeit volkswirtschaftlich bedeutsam.
Gegen eine Erweiterung spricht die Systemlogik der Aktivrente. Der Freibetrag ist an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gekoppelt, um Beiträge in die gesetzlichen Sozialkassen zu sichern. Selbstständige leisten diese Beiträge meist nicht, was eine Übertragung erschwert. Hinzu kommen fiskalische Risiken: Eine Ausweitung würde zu erheblichen Steuermindereinnahmen führen, ohne dass der gewünschte Effekt auf den Arbeitsmarkt eindeutig nachweisbar wäre.
Als Kompromiss ließe sich ein Stufenmodell einführen. Möglich wäre etwa eine Öffnung für Selbstständige, die freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, oder eine Beschränkung auf Berufsgruppen mit hoher Relevanz für die öffentliche Daseinsvorsorge. Auch gestaffelte Freibeträge könnten diskutiert werden. Ob und in welcher Form eine Anpassung erfolgt, hängt letztlich vom weiteren Gesetzgebungsprozess und dem politischen Druck ab.
FAQ
Gilt die Aktivrente auch für Selbstständige?
Nein. Der Referentenentwurf (12.09.2025) sieht den 2.000-€-Freibetrag nur für sozialversicherungspflichtige Einnahmen aus nichtselbstständiger Beschäftigung vor. Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit fallen nicht darunter.
Wer profitiert konkret vom Freibetrag?
Begünstigt sind Rentnerinnen und Rentner mit Arbeitslohn aus einem Beschäftigungsverhältnis, für das Sozialversicherungspflicht besteht. Minijobs zählen nicht, wenn keine SV-Pflicht entsteht.
Wie behandelt der Entwurf gemischte Einkünfte (Lohn + selbstständig)?
Der Freibetrag greift ausschließlich auf den SV-pflichtigen Arbeitslohn. Gewinne aus selbstständiger Tätigkeit bleiben normal steuerpflichtig.
Können bestimmte selbstständige Gruppen trotzdem profitieren?
Nur, wenn ein echtes Arbeitsverhältnis vorliegt. Freie Mitarbeit, Honorare oder gewerbliche Gewinne gelten nicht als Arbeitslohn.
Was spricht für eine spätere Öffnung zugunsten der Selbstständigen?
Der Gleichbehandlungsgrundsatz liefert ein Argument. Selbstständige tragen zur Wirtschaftsleistung bei und sichern oft Versorgung in Mangelregionen. Eine begrenzte Öffnung könnte Akzeptanz und Arbeitsangebot erhöhen.
Welche Gegenargumente nennt die Systemlogik?
Der Gesetzgeber koppelt den Freibetrag an Sozialversicherungspflicht. Viele Selbstständige zahlen keine Pflichtbeiträge in die GRV und besitzen eigene steuerliche Gestaltungsspielräume. Eine Ausweitung würde zudem fiskalische Kosten erzeugen.
Welche Alternativen bleiben Selbstständigen vorerst?
Steuerliche Basisinstrumente wie Betriebsausgaben, Investitionsabzugsbetrag, Sonder-/Basisrentenbeiträge und eine gezielte Gewinnverteilung im Rahmen der gesetzlichen Regeln bleiben zentrale Hebel.