Ahnungslose Sparer geben bei Ihrer Bank eine Order zum Kauf einer Anleihe auf. Bei der Abrechnung erscheint ein Saldo-Posten, von dem sie noch nie gehört haben: Stückzinsen (schweizerisch: Marchzins). Worum handelt es sich dabei? In diesem Ratgeber möchten wird Ihnen das Thema erklären. Wie ist die Definition, wie die Berechnung und die Formel, wie sieht ein Beispiel für Stückzinsen bei Anleihen aus?
Wer dagegen eine Ausbildung als Bankkaufmann hinter sich hat, erinnert sich sicherlich noch daran, dass er genau diese Zinsart in allen Varianten berechnet hat. Stückzinsenberechnung war wesentlicher Bestandteil des Ausbildungsteils über festverzinsliche Wertpapiere.
Was sind Stückzinsen?
Stückzinsen sind die bis zum Verkaufs- oder Kaufzeitpunkt eines festverzinslichen Wertpapiers (z. B. einer Anleihe) aufgelaufenen Zinsen. Da Anleihen meist nicht zum Zinstermin, sondern unterjährig gehandelt werden, muss der Käufer dem Verkäufer die anteiligen Zinsen seit dem letzten Kupontermin erstatten.
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Inhalt
Wann fallen Stückzinsen an?
Stückzinsen werden berechnet, wenn ein festverzinsliches Wertpapier zwischen zwei Zinszahlungsterminen den Besitzer wechselt, sprich ge- oder verkauft wird. Neben dem Kurswert sind die aufgelaufenden Zinsen Bestandteil des zu zahlenden Preises für das Papier. Dabei ist entscheidend, ob dem Vorbesitzer bereits die Zinsen für die gesamte Zahlungsperiode gutgeschrieben wurden, oder diese der Käufer erhält. Im ersten Fall wird der Kaufpreis des Papiers um die anteiligen Zinsen gekürzt, im zweiten Fall muss der Käufer dem Verkäufer die anteiligen Zinsen zusätzlich entrichten. Die Rechtsvorschriften zu Stückzinsen finden sich im Einkommensteuergesetz (EStG) § 43a Bemessung der Kapitalertragsteuer.
Auf der Orderabrechnung für eine Anleihe steht dann unter anderem:
Zu Ihren Gunsten vor Steuern: inklusive erhaltener Stückzinsen
Formel und Berechnung
Hier die detaillierte Beschreibung der Formel zur Berechnung der Stückzinsen: Die aufgelaufenen entstehen, weil festverzinsliche Wertpapiere wie Anleihen ihre Zinsen nicht täglich, sondern nur zu festgelegten Terminen auszahlen. Wird eine Anleihe zwischen zwei Zinszahlungsterminen gekauft, hat der bisherige Besitzer bereits Anspruch auf die aufgelaufenen Zinsen bis zum Verkaufstag. Diese muss der Käufer zusätzlich zum Kurswert der Anleihe bezahlen.
Die allgemeine Formel für Stückzinsen
Stückzinsen=Nominalwert × Kuponzinssatz × verstrichene Tage100 × Zinsperiode (in Tagen)
Stückzinsen=100 × Zinsperiode (in Tagen) Nominalwert × Kuponzinssatz × verstrichene Tage
Detaillierte Erklärung der einzelnen Bestandteile
a) Nominalwert (N)
Der Nominalwert ist der Betrag, auf den sich die Zinsberechnung der Anleihe bezieht.
Bei einer Anleihe mit einem Nennwert von 1.000 € erhält der Inhaber Zinsen basierend auf diesem Wert.
In Deutschland werden Anleihen häufig in Stückelungen von 1.000 € oder 100.000 € gehandelt.
b) Kuponzinssatz (p)
Der Kuponzinssatz ist der jährliche Zins, den die Anleihe in Prozent des Nominalwerts zahlt.
Beispiel: Ein Zinssatz von 5 % bedeutet, dass eine Anleihe mit einem Nominalwert von 1.000 € pro Jahr 50 € an Zinsen zahlt.
c) Verstrichene Tage (t)
Die Anzahl der Tage, die seit der letzten Zinszahlung vergangen sind.
Falls die Zinsen am 1. Januar gezahlt wurden und der Verkauf am 1. Juli erfolgt, beträgt die Zahl der verstrichenen Tage 181.
d) Zinsperiode (T)
Gibt an, auf wie viele Tage sich die Berechnung bezieht.
Je nach Marktpraxis gibt es zwei gängige Methoden:
Actual/Actual-Methode: Tatsächliche Anzahl der Tage im Jahr (365 oder 366 Tage).
30/360-Methode: Jeder Monat wird pauschal mit 30 Tagen angesetzt, das Jahr hat 360 Tage.
Stückzinsen Anleihe Beispiel
Hier eine Beispiel-Berechnung für die Stückzinsen einer Anleihe. Angenommen, eine Anleihe hat folgende Eigenschaften:
Nominalwert (Nennwert der Anleihe): 1.000 €
Kuponzins (jährlicher Zinssatz): 5 %
Zinszahlungstermin: 1. Januar jedes Jahres
Verkaufstag: 1. Juli (nach 181 Tagen)
Tage pro Jahr: 365 Tage (in Deutschland wird üblicherweise das tatsächliche Kalenderjahr verwendet)
Einsetzen der Werte
Stückzinsen=1.000×5×181100×365
Stückzinsen=100×3651.000×5×181
Schrittweise Berechnung
Berechnung des Zinsbetrags pro Jahr:
1.000×5÷100=50 €
1.000×5÷100=50 €
Das bedeutet, die Anleihe zahlt 50 € Zinsen pro Jahr.
Berechnung des Zinsbetrags pro Tag:
50÷365=0,13699 € pro Tag
50÷365=0,13699 € pro Tag
Jeder verstrichene Tag entspricht also 0,13699 € an Zinsen.
Multiplikation mit den verstrichenen Tagen:
0,13699×181=24,79 €
0,13699×181=24,79 €
Das Ergebnis ist: Der Käufer der Anleihe muss dem Verkäufer 24,79 € an Stückzinsen zahlen, da dieser bereits 181 Tage lang Zinsen „angesammelt“ hat, aber noch keine Auszahlung erhalten hat.
Wichtige Hinweise zu Unterschieden in der Zinsberechnung
Manche Anleihen verwenden die 360-Tage-Methode (30/360-Zinsmethode), bei der jeder Monat pauschal mit 30 Tagen gerechnet wird. Dann kann sich der Wert leicht unterscheiden.
Steuerliche Relevanz:
In Deutschland sind Stückzinsen steuerpflichtig und werden bei der Abgeltungssteuer berücksichtigt.
Berechnung für halbjährliche Zinszahlungen:
Falls eine Anleihe halbjährlich Zinsen zahlt, sind die Stückzinsen bis zum nächsten Zinstermin zu berechnen, nicht für das gesamte Jahr.
Beispiel 2
Ein Rechenbeispiel soll dies verdeutlichen: Eine Anleihe hat am Tag des Verkaufs einen Kurswert von 101 Prozent und wird am 1. Januar mit fünf Prozent vorschüssig für das kommende Jahr verzinst. Der Besitzer veräußert das Papier mit einem Nominalwert von 100 Euro pro Stück in einem Volumen von 10.000 Euro am 31. März. Der Kaufpreis beträgt zunächst 10.100 Euro (Kurswert 101 %). Da der aktuelle Besitzer bereits Zinsen in Höhe von 500 Euro für das gesamte Jahr erhalten hat, muss er nun einen Teil dieser Zinsen dem Käufer zukommen lassen. Die verbleibende Zeit der Zinszahlungsperiode beträgt im Sinne der Zinsberechnung mit 360 Tagen im Jahr noch 270 Tage, drei Viertel. Damit mindert sich der Anspruch des Verkäufers auf die erhaltenen Zinsen um 75 Prozent, 375 Euro. Der tatsächlich zu entrichtende Kaufpreis beträgt damit noch 9.725 Euro.
Würden die Zinsen nachschüssig zum 31.12. des Jahres ausgezahlt werden, müsste der Käufer im Umkehrschluss dem Verkäufer dessen Zinsanteil in Höhe von 125 Euro zusätzlich zum Kurswert ausgleichen, zu zahlen wären damit 10.225 Euro.
Beispiel: Bayerische Landesbank Inh.-Schv. v.20(21/25), WKN: BLB82K ISIN: DE000BLB82K5. „Der Anleger muss bei Erwerb während der Laufzeit zusätzlich anteilig aufgelaufene Zinsen (Stückzinsen) entrichten“
Beispiel 3: Bundesrep.Deutschland Bundesschatzanw. v.23(25)
Hier noch ein reales Beispiel, die Bundesrep.Deutschland Bundesschatzanw. v.23(25). die Stückzinsen sind am 10. März 2025 0,756.
Tabelle 1: Stückzinsen und Kennzahlen der Bundesrep.Deutschland Bundesschatzanw. v.23(25). Stand 10.03.2025. Quelle: comdirect.de
Restlaufzeit | 9,1 Monate |
Fälligkeit | 12.12.2025 |
Ausgabedatum | 19.10.2023 |
Nominalzinssatz | 3,100 % |
Anleihevolumen | 19 Mrd. |
Kupon-Art | Fest |
Zinszahlung | Jahr |
Zinstermin | 12.12. |
Emittent | Deutschland, Bunde.. |
Sitz Emitt. | Deutschland |
Typ | Anleihe |
Währung | EUR |
Mindestanlage | 0,01 |
Stückelung | 0,01 |
ISIN | DE000BU22031 |
WKN | BU2203 |
Renditekennzahlen | |
Berechnung: | 10.03.25 02:00 |
Rendite p.a. | 2,274 % |
Stückzinsen | 0,756 |
Duration | 0,75 |
Mod. Duration | 0,734 |
Konvexität | 1,274 |
Zinselastizität | 0,017 |
Steuer: Die Berechnung der angefallenen Gewinne/Verluste
Wie eingangs erwähnt, fallen Stückzinsen bei festverzinslichen Wertpapieren an. Zinsen auf Wertpapiere werden rückwirkend auf die jeweilige Zinsperiode gezahlt. Lautet der Zinstermin auf den 30.9. eines Jahres und der Inhaber einer Anleihe verkauft seine Papiere am 30.6., so hat er einen Anspruch auf drei Viertel des Zinsertrages. Die anteiligen Stückzinsen werden auf den Kaufpreis aufgeschlagen. Bei der Notierung von Anleihen existieren zwei Wege, ex Coupon und cum Coupon.
Im ersten Fall erfolgt die Anzeige des Kurses exklusive der enthaltenen Zinszahlungen, um Kursschwankungen bei der Zinsfälligkeit zu vermeiden. Bei der Notierung cum Coupon ist der Zins im Kurs enthalten und muss herausgerechnet werden, um den tatsächlichen Kurswert des Papiers zu ermitteln. Anleger achten bei der Auswahl für ein festverzinsliches Wertpapier allerdings weniger auf die Stückzinsen, da sie letztendlich durch die Abhängigkeit zur Haltedauer auf die Rendite keine Auswirkung haben. Gleiches gilt auch für die Zwischengewinne bei Fonds.
Besteuerung
Bei Stückzinsen handelt es sich um einen völlig regulären Zinsertrag, der sich von einer regulären Zinszahlung nur dadurch unterscheidet, dass er im Zusammenhang mit einer Wertpapiertransaktion abgerechnet wird.
Käufer und Verkäufer des Papiers geben in der Steuererklärung, so der Zinsertrag nicht durch einen Freistellungsauftrag gedeckt ist, die jeweils erhaltenen Zinsen an. Für den Käufer, der Stückzinsen zahlt, sind diese zunächst einmal negative Einkünfte, die mit Erträgen aus anderen Wertpapieren verrechnet werden können. Um eine rechnerische Größe ermitteln zu können, wurde der fiktive Stückzinstopf, ein Verlustverrechnungstopf entwickelt. Dieser steht am Jahresanfang auf null und wird im Laufe des Kalenderjahres mit Stückzinsen aus den Verkäufen von festverzinslichen Wertpapieren mit einer ratierlichen Zinsgutschrift und anfallenden Zwischengewinnen aus Investmentfonds aufgefüllt. Dieser Stückzinstopf leert sich im Laufe des Kalenderjahres jedoch sukzessive um erhaltene Zinsen und Kapitalerträge aus anderen Anlagen. Dabei werden jedoch nur die Kursgewinne aus dem Verkauf von Anleihen berücksichtigt, nicht die Kursgewinne aus Aktienverkäufen. Die Auszahlung dieser Erträge erfolgt solange steuerfrei, bis der Gegenwert des Stückzinstopfes wieder bei null angelangt ist. Zinsdifferenzen können Sie mit unserem Zinsrechner online berechnen.
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