Innerhalb der Europäischen Zentralbank nimmt die Debatte über den künftige Richtung der geldpolitischen Entscheidungen weiter an Schärfe zu. Dabei tritt insbesondere EZB-Direktorin Isabel Schnabel für einen vorsichtigen Ansatz ein. In einer Rede an der Universität Stanford plädierte sie für eine geldpolitische Ausrichtung, die keine weiteren schnellen Zinssenkungen vorsieht. Diese Haltung stellt sie gegen andere Ratsmitglieder sowie Marktteilnehmer, die bereits mit mehreren weiteren Zinsschritten nach unten rechnen.
Schnabel sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Leitzinsen noch deutlich unter das aktuelle Niveau zu senken. Aus ihrer Sicht sei es sinnvoller, mit stabilen Zinssätzen zu arbeiten, um eine Übersteuerung der Konjunktur zu vermeiden.

Die EZB hatte seit Mitte 2024 bereits mehrere Senkungen vorgenommen und den Einlagenzinssatz deutlich zurückgeführt. Analysten erwarten dennoch, dass weitere Schritte folgen – teils wird ein Zielniveau von 1,25 % bis Ende des Jahres prognostiziert. (Laut Handelsblatt erwarten Analysten der Bank of America bis Dezember 2025 ein Absinken des Einlagensatzes auf 1,25 %. Eine originale Prognoseveröffentlichung der Bank liegt nicht vor.)
Im EZB-Rat zeigen sich die Meinungen geteilt. Während einige Notenbankchefs wie Joachim Nagel oder François Villeroy de Galhau Offenheit für weitere Zinssenkungen signalisierten, mahnt Schnabel zur Vorsicht. Insbesondere warnt sie vor einer übermäßigen Anregung der Nachfrage, die mittelfristig erneut den Inflationsdruck erhöhen könnte.
Eine zusätzliche Belastung sieht sie im internationalen Umfeld: Handelskonflikte und protektionistische Maßnahmen wie neue US-Zölle könnten über Lieferketteneffekte zu Preisanstiegen führen. Andere Ratsmitglieder hingegen verweisen auf dämpfende Effekte wie sinkende Energiepreise und eine anziehende Währungsstärke des Euro.

Die Heterogenität im EZB-Rat zeigt, dass der Entscheid im Juni nicht auf einen klaren Konsens hinausläuft

Stimmen wie die des litauischen Notenbankchefs Simkus und des Finnen Rehn deuten bereits weitere Zinsschritte an. Auch Griechenlands Notenbankchef Stournaras rechnet mit einem fortgesetzten Zinssenkungspfad, warnt jedoch vor überzogenen Erwartungen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hingegen nimmt in der aktuellen Diskussion bewusst eine zurückhaltende Rolle ein. Öffentliche Stellungnahmen zum Zinskurs vermeidet sie bislang, was Beobachter als Zeichen interpretieren, dass sie die Positionen innerhalb des Rats zunächst weiter austarieren möchte. Hier gibt es Zahlen zum Gehalt von Christine Lagarde.
Vizepräsident Luis de Guindos zeigte sich zuletzt zwar zuversichtlich, dass das Inflationsziel der Notenbank bald erreicht werden könne, hielt sich jedoch mit klaren Aussagen zur weiteren geldpolitischen Ausrichtung zurück. Damit bleibt die Frage offen, ob sich die vorsichtige Linie durchsetzt oder doch weitere Zinsschritte folgen – nicht zuletzt hängt dies von den kommenden Inflationsdaten und wirtschaftlichen Signalen ab. Konjunkturdaten, Inflationsprojektionen und globale Risiken den finalen Ausschlag geben.